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„Wer die Nummer wählt, hat schon gewonnen“

München, den Datum: 07.03.2018
Gesundheit

1172 Anrufe: Krisendienst Psychiatrie zieht für Südost-Oberbayern erste positive Jahresbilanz

0180 / 655 3000, täglich von 9 bis 24 Uhr: Der Krisendienst Psychiatrie ist im Südosten Oberbayerns seit Februar 2017 erreichbar. Von Februar bis Dezember 2017 haben sich aus der Region 1172 Menschen in seelischer Not an den Krisendienst gewandt. „Alle haben schnelle, unbürokratische und wohnortnahe Hilfe erhalten“, sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer. „Das zeigt: Wer die Nummer wählt, hat schon gewonnen.“

Im Südosten Oberbayerns (Region 18) ist das Krisennetzwerk seit Februar 2017 für die Landkreise Mühldorf, Altötting, Traunstein, Berchtesgadener Land sowie Stadt und Landkreis Rosenheim zuständig. Aus ganz Oberbayern haben den Krisendienst im vergangenen Jahr 20.111 Anrufe erreicht – davon 1172 aus dem Südosten Oberbayerns. In der Region 18 führten die mobilen Einsatzteams 215 persönliche Kriseninterventionen – vor allem Hausbesuche – bei Menschen in akuten psychiatrischen Notlagen durch. In ganz Oberbayern waren es 1733 mobile Einsätze.

„Ein wichtiges Ziel der psychiatrischen Krisenhilfe ist die Vermeidung von stationären Klinik-Aufenthalten und Zwangseinweisungen“, erläuterte Bezirkstagspräsident Mederer bei einem Pressetermin zum einjährigen Bestehen des Netzwerkes. „Die Zahlen zeigen: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Auch konnten dank der Krisenintervention einige Zwangseinweisungen vermieden werden. Das ist ein großer Erfolg.“

Die Anrufe gehen zentral bei der Leitstelle ein. „Unserer Mitarbeiter hören zu, fragen nach, entlasten und klären mit dem Anrufer gemeinsam die Notsituation“, sagte deren Leiter Dr. Michael Welschehold. „Wenn nötig, leiten sie sofortige Hilfemaßnahmen in die Wege.“ Die Leitstelle arbeitet mit den regionalen Sozialpsychiatrischen Diensten und mobilen Einsatzteams Hand in Hand. Bei Bedarf sind innerhalb einer Stunde Krisenhelfer für einen Hausbesuch vor Ort, um akut belasteten Menschen beizustehen. „Wir alle helfen mit Professionalität“, versicherte der Psychiater. „Unser wichtigstes Ziel ist es, dass es den betroffenen Personen gelingt, ihr Leben bald wieder aus eigenen Kräften zu meistern.“

Möglich macht dies ein breites Netzwerk an sozialpsychiatrischen Beratungsangeboten sowie ambulanten und stationären medizinischen Behandlungsmöglichkeiten. Im Südosten Oberbayerns sind der Caritasverband, die Diakonie, der Dienst Anthojo, die Soziale Zukunft und der Projekteverein (beide Arbeiterwohlfahrt Oberbayern) sowie das kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg am Inn mit seiner Psychiatrischen Institutsambulanz und seinen stationären Behandlungsangeboten Kooperationspartner. Das Diakonische Werk Traunstein ist für Aufbau und Organisation des Netzwerkes zuständig. Bei den Sozialpsychiatrischen Dienstes sind die Teams für die persönlichen Kriseninterventionen und Hausbesuche angesiedelt.

Depressionen, Psychosen, Angst- und Panikstörungen: Es ist die ganze Palette der seelischen Erkrankungen, derentwegen Menschen beim Krisendienst Hilfe suchen. „Die Bandbreite reicht von leichten depressiven Verstimmungen bis hin zu akuter Suizidgefahr“, berichtete Herrmann Däweritz vom Diakonischen Werk Traunstein. Ein junger Mann habe beispielsweise vor kurzem damit gedroht, sich aus Liebeskummer vom Balkon zu stürzen. Angehörige verständigten den Krisendienst. Rasch war ein mobiles Einsatzteam vor Ort. Das Gespräch habe den Mann spürbar entlastet. Die weitere medizinische Nachsorge erfolgte ambulant.

Laut dem Ärztlichen Direktor des kbo-Inn-Salzach-Klinikums, Prof. Peter Zwanzger, ist es auf jeden Fall ratsam, sich bei einer Krise rasch Hilfe zu holen. „Sonst besteht das Risiko, dass sich eine chronische seelische Erkrankung entwickelt.“ Deshalb sei es wichtig, das „therapeutische Fenster“ zu nutzen. Der Krisendienst sei „hervorragend geeignet, um Menschen wertschätzend zu beraten und durch eine Krise zu begleiten“.

Diese Rückmeldung hat auch Rudolf Starzengruber vom Vorstand der Oberbayerischen Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener (OSPE) von mehreren Betroffenen erhalten, die dank des Krisendienstes einen Weg aus ihrer Notlage gefunden haben. „Oft reicht ja schon ein erleichterndes Gespräch“, sagte Starzengruber. „Die Anzahl der Menschen, die rasch und dringend Hilfe benötigen, ist größer als viele denken.“

Der Bezirk Oberbayern finanziert den Krisendienst mit rund 7,4 Millionen Euro pro Jahr. Im Jahresverlauf verzeichnete die Leitstelle einen Anstieg der Anrufe um 42 Prozent – von 1392 Anrufen im Januar auf bis zu 1971 im Dezember.

Seit 1. März können sich auch Kinder und Jugendliche in psychischen Notlagen sowie deren Eltern und weitere Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld an den Krisendienst wenden.