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Kosmos Oberbayern

München, den Datum: 11.06.2019
Zamma - Das Festival in Oberbayern

Kulturkuppel des Bezirks Oberbayern

„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Das Kinderspiel ist mit einigem Nachdenken leicht zu schaffen. Eine größere Herausforderung ist es, über etwas zu sprechen, das es so weder gab noch gibt, aber bald geben wird: die Kulturkuppel des Bezirks Oberbayern und die in ihr geplante audio-visuelle Installation „Kosmos Oberbayern“. 

Mit diesem Gesamtkunstwerk möchte der Bezirk Oberbayern seinen einzigartigen Schatz an Instrumenten und Textilien, Musik und Schriften, Häusern und Kunst in einer außergewöhnlichen Form erlebbar machen. Zu sehen gibt es die Kulturkuppel erstmals beim ZAMMA – Kulturfestival Oberbayern 2019, das der Bezirk Oberbayern vom 13. bis 20. Juli in Garmisch-Partenkirchen veranstaltet.

Auf dem Richard-Strauss-Platz wird sie mit einer Höhe von über sieben Metern und fast 13 Metern Durchmesser nicht zu übersehen sein. Die auf- und abbaubare äußere Hülle wird derzeit vom Coburger Designforum angefertigt. Das audio-visuelle Innenleben erarbeitet der Musiker Johannes Dobroschke zusammen mit der Videokünstlerin und Regisseurin Susanne Steinmassl. Beide haben vorab Fragen zu ihrer Arbeit am „Kosmos Oberbayern“ beantwortet:

Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie die Performance im Inneren der Kuppel aussieht. Warum ist es so schwierig, sie vorab zu präsentieren?
Steinmassl: Die Installation schafft ein immersives Erlebnis, das heißt, die virtuelle Realität, der man darin ausgesetzt ist, wird als ziemlich echt empfunden. Die Arbeit entfaltet sich mit Betreten der Kuppel und umhüllt die Besucherinnen und Besucher von allen Seiten. Das Erlebnis findet nicht nur auf einer Ebene statt, sondern ist ein räumliches – darin besteht auch die Schönheit. Es ist keine Arbeit, die man zwischendurch auf dem Weg zur Arbeit auf dem Smartphone erfassen kann, sondern man braucht das physische Erleben: also den Weg in eine Kuppel mit 360 Grad-Leinwand und räumlichem Lautsprecher-System.
Dobroschke: Das ist auch für uns als Künstler etwas ganz Neues. Das spezielle Ergebnis lässt sich nicht digital oder in zweidimensionaler Form wiedergeben. Am besten, man lässt sich überraschen.

Grundlage des multimedialen Gesamtkunstwerks sind die Bestände der Einrichtungen des Bezirks Oberbayern – vom Trachten-Informationszentrum bis zum Volksmusikarchiv. Wie fließen diese ein?
Steinmassl: Ich bin sehr begeistert von den Archiven des Bezirks! Allein die Auswahl an Material, die ich getroffen habe, hat eine Datenmenge von über 300 Gigabyte. Aber nicht nur die Menge, vor allem die Qualität und der immaterielle Wert haben mich beeindruckt. Im Freilichtmuseum Glentleiten hatte ich Einblick in ganz alte Schriftstücke von ehemaligen Hausbesitzern, die viel über die Härte des damaligen Lebens wie zum Beispiel über die Kindersterblichkeit offenlegen. Das hat mich sehr berührt. Im Trachten-Informationszentrum (TIZ) wiederum habe ich einen ganz neuen Zugang zur Tracht bekommen. Ich habe selten jemanden getroffen, der Mode zu etwas so Lebendigem werden lässt wie TIZ-Leiter Alexander Wandinger. Außerdem hat mir die Fachberatung Heimatpflege das Archiv des früheren Heimatpflegers Paul Ernst Rattelmüller zur Verfügung gestellt. Das sind sehr ästhetische Fotografien, die ein Bayern zeigen, wie wir es heute nicht mehr kennen.

Wie erkennen die Besucher denn am Ende die Arbeit der Kultureinrichtungen des Bezirks wieder?
Steinmassl: Man wird die Arbeit der Einrichtungen permanent erleben, aber nicht offensichtlich oder wie in einem Lehrfilm. Wir hatten die besondere Aufgabe, die einzelnen Bereiche bei der künstlerischen Verarbeitung miteinander in Beziehung zu setzen. Dadurch ergeben sich ganz eigene künstlerische Interpretationen der Inhalte und Materialien.

Können Sie das näher erklären?
Steinmassl: Ich bringe das Archiv-Material mit zeitgenössischer Ästhetik zusammen. Ich arbeite viel mit 3D-Darstellungen und transformiere so die alten Relikte in die Gegenwart. Altes und Neues tritt in einen Dialog und lässt Raum für eigene Interpretationen. Zum Beispiel habe ich einige Räume im Freilichtmuseum Glentleiten im 3D-Scan-Verfahren konserviert. Den Zuschauern wird es dadurch möglich, die Räume virtuell zu betreten. Sie haben eher das Gefühl, in einem Computerspiel zu sein als in einem hundert Jahre alten Bauernhaus. Das finde ich spannend.

Herr Dobroschke, Sie sind beim „Kosmos Oberbayern“ für die Musik zuständig. Wo liegt für Sie der besondere Reiz an dem Auftrag?
Dobroschke: Die Arbeit für die Kulturkuppel ist mit nichts vergleichbar, das ich bisher gemacht habe. Die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Bezirks Oberbayern macht Spaß und bringt mich auf interessante, neue Ideen. Vor allem aber bekommt man nicht jeden Tag die Möglichkeit, mit einem 360 Grad-Sound-System zu arbeiten und die technischen Möglichkeiten des ZKM in Karlsruhe zu nutzen.

Das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) widmet sich der Fortschreibung der klassischen Künste ins digitale Zeitalter. Es gehört weltweit zu den bedeutendsten Einrichtungen dieser Art. Wie ist es ins Spiel gekommen?
Dobroschke: Den Kontakt nach Karlsruhe hat der Popularmusik-Beauftragte des Bezirks, Matthias Fischer vermittelt, der zusammen mit Alexander Wandinger das Projekt leitet. Er war es auch, der mich wegen der Bezirkskuppel angesprochen hat. Er kennt meine bisherigen Musikprojekte und meinte, dass ich der Richtige für diese Aufgabe sei.
Steinmassl: Und mich hat Johannes [Dobroschke] fürs Video mit ins Boot geholt. Ich schätze seine musikalische Arbeit sehr. Und die Möglichkeit, mit dem ZKM zu kooperieren, ist etwas ganz Besonderes.
Dobroschke: Gerade jetzt in der entscheidenden Phase profitieren wir sehr vom ZKM. Die Mitarbeiter dort haben ein unheimliches Know-how in Sachen Multimedia. Wir können Bild und Ton in Karlsruhe bereits unter den Bedingungen bearbeiten, die wir dann später auch in Garmisch-Partenkirchen vorfinden werden. Die reale Kuppel wird ja derzeit erst produziert und wegen ihrer Größe erst kurz vor Beginn des Kulturfestivals aufgestellt.

In Karlsruhe kommen dann Ton und Bild erstmals zusammen?
Dobroschke: Ja, das wird spannend! Ich habe bei meinen Bandprojekten schon mit mehreren Videokünstlern zusammengearbeitet. Aber „Kosmos Oberbayern“ ist länger und die Technik auch ganz anders. Das Video untermalt nicht die Musik, sondern folgt eigenen Gesetzen.
Steinmassl: Beide Bereiche sind ständig miteinander im Dialog und gleichzeitig autark.

Wie ist die Musik für die Performance entstanden?
Dobroschke: Die meisten konkreten Töne kommen aus dem Volksmusikarchiv in Bruckmühl. Dort habe ich die Klänge verschiedenster Glocken und Perkussion-Instrumente aufgenommen. Ich habe auch mit Musikern zusammengearbeitet, zu denen ich über das Archiv Kontakt bekommen habe. Ergänzt habe ich das alles mit Aufnahmen aus dem großen Fundus des Archivs. Das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort ist enorm, es war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.

Und wie klingen die anderen Bezirkseinrichtungen?
Dobroschke: Es ist von allen etwas eingeflossen. Ich habe zum Beispiel die Hall-Eigenschaften verschiedener Räume aufgenommen: vom Tonnengewölbe im Schafhof, dem oberbayerischen Künstlerhaus in Freising, bis hin zur Abtkapelle im Kloster Seeon, dem Kultur- und Bildungszentrum des Bezirks. Sogar den Hall in den Büro- und Ausstellungsräumen der Fachberatung Heimatpflege im Maierhof des Klosters Benediktbeuern habe ich eingefangen. Damit kann ich virtuelle Klänge erzeugen, die genau so klingen, als wären würde man sie in diesen Räumen hören.

Wie wird aus den vielen Teilen Musik?
Dobroschke: Zum Teil ist das Stück recht klassisch komponiert, aber weite Strecken ähneln eher einer Collage. Ich habe die Töne aus den verschiedenen Quellen gemischt, verfremdet und zu etwas Neuem zusammengesetzt.

Und was passiert mit der Präsentation nach ZAMMA?
Dobroschke: Wir hoffen, dass die Installation nächstes Jahr bei der Jubiläumsfeier des Schafhofs wieder zu sehen sein wird. Auch das Kloster Seeon möchte sie zeigen. Beide Einrichtungen haben dafür ja auch den notwendigen Platz. Außerdem hat das ZKM Interesse an einer Ausstellung von „Kosmos Oberbayern“ in einem ihrer Studios bekundet.

Presse-Preview am 12. Juli, 17.30 Uhr: Medienvertreter laden wir dazu ein, sich vorab in Garmisch-Partenkirchen einen persönlichen Eindruck von der Kulturkuppel und der Installation "Kosmos Oberbayern" verschaffen. Bei Interesse bitten wir um Ihre Anmeldung.


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